Abuja

Der von Wohnhäusern geprägte Bezirk im Westen der Stadt ist in die Strahlen der Nachmittagssonne gehüllt. Endlich – nach mehreren Tagen Regenwetter – ist die Witterung angenehmer. Ja – es ist eben Regenzeit. Ein Spaziergang durch die ruhigen Straßen lässt meine Frau und mich an einen Ort in Südfrankreich oder der italienischen Schweiz denken. Zumindest den, der die Pflanzenwelt in den kleinen Vorgärten im Auge hat.

Weit gefehlt! Wir befinden uns mitten in Afrika. Die Stadt, die wir hier näher kennen lernen wollen, ist Abuja. Die neue Hauptstadt Nigerias. Für den, der die vielen hektischen und lauten Ansiedlungen auf dem schwarzen Kontinent besucht hat, ist sie eine positive Überraschung. Denken wir nur an Benin, die alte Königsstadt – rund 500 Kilometer südöstlich gelegen. Es gibt wohl kaum einen Ort, der besser das verkörpert, was Europäer sich unter einer typischen afrikanischen Stadt vorstellen. Die eben auch alle ihre Vorurteile bedient.

Aso Rock, Abuja, Nigeria Abuja ist anders: das Produkt moderner Stadtplanung. Gebaut wird nach wie vor an dem Projekt. Begonnen haben die Arbeiten im Jahr 1976. Die damalige Hauptstadt – der Moloch Lagos – war schon aus rein geographischen Gründen nicht sehr geeignet als Regierungssitz. Die Stadt liegt in der südwestlichsten Ecke des großen Landes Nigeria. Sie war einst Militärlager der Herrscher von Benin. Als zivile Siedlung ist sie seit dem 14. Jahrhundert bekannt. 1472 landeten dort die Portugiesen, die der Stadt den Namen gaben. Sie nannten sie schlicht nach einer Küstenstadt aus ihrem Land. Seit dieser Zeit war Lagos ein kolonialer Stützpunkt für die Europäer.

Die Regierung suchte nach dem Biafra-Krieg, durch den der Südosten Nigerias selbständig werden wollte, nach einem Ort, der nicht von einer großen ethnischen oder religiösen Gruppe dominiert wurde. Nach einem Ort, der das Streben nach nationaler Einheit sichtbar machen könnte. Bis heute sind es ja Probleme zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die den Fortschritt des Landes behindern. Lagos ist seit jeher ein Zentrum der Yoruba. Die Gegend um das heutige Abuja dagegen kennt keine dominierende Gruppe. Dazu kommen ein auch für Europäer angenehmes Klima und eine optisch ansprechende Lage inmitten einer von frei stehenden Felsen bestimmten Landschaft. Besonders markant sind dabei der “Zuma-Rock” im Norden sowie der “Aso-Rock” im Osten der Stadt. Und letztendlich befindet sich die Siedlung fast auf dem wirklichen geografischen Mittelpunkt Nigerias.

Der förmliche Beschluss der Regierung, die Hauptstadt zu verlegen, fiel im Jahr 1976. Übrigens planten schon die Briten während der Kolonialzeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ihren Verwaltungssitz in Nigeria weiter in den Norden zu verlagern. Eine amerikanische Planungsfirma erstellte in den 70ern einen so genannten Masterplan. Bis zum heutigen Tag sind auch deutsche Firmen damit beschäftigt, ihn umzusetzen. Sie sind gut im Geschäft damit. Geschaffen wurde nicht nur eine Stadt – sondern ein ganzer Bundesstaat: das “Federal Capital Territory (FCT)”. Dafür gaben die Staaten Kaduna, Kwara, Niger und Plateau Gebiet – insgesamt 8000 Quadratkilometer.

Seit 1991 ist Abuja offiziell die Hauptstadt. Die Arbeiten waren seinerzeit aber ja bei weitem nicht beendet. Den Wechsel des Regierungssitzes feierten die Nigerianer groß. Mit einem speziellem Flug des damaligen Präsidenten Ibrahim Babangida von Lagos nach Abuja. Schon der Beschluss darüber 25 Jahre davor wurde groß dargestellt – mit einer landesweiten Rundfunkansprache des Landeschefs Murtula Mohamed.

Es ist der Verkehr, der dem als erstes ins Auge springt, der sich in Abuja bewegt. Er ist ganz anders als in anderen nigerianischen Städten. Er wirkt nicht chaotisch und gleicht eher dem, was wir aus mitteleuropäischen Städten kennen. Geregelt wird der Verkehr von vielen Ampeln und nicht wie in anderen Teilen des Landes von Polizisten, die häufig vor den Massen der Kraftfahrzeuge zu kapitulieren scheinen. Und dort für europäische Augen wie Todesmutige ihren Dienst tun. Hier wird jetzt kein Vorurteil bemüht – es handelt sich schlichtweg um die Erfahrungen des Autors auf nigerianischen Stadtstraßen. Dazu scheinen die Nigerianer in Abuja ein ganz anderes Sicherheitsgefühl zu empfinden als anderswo. So berichtet ein Geschäftsmann aus Benin, in Abuja könne er bedenkenlos sein Fahrzeug unverschlossen und den Schlüssel stecken lassend parken. Nun, in seiner Heimatstadt würde das wohl niemand versuchen. Wohl auch niemand in München oder Hamburg.

Dies vielleicht zwei Schlaglichter, die das zeigen, was Abuja von anderen Großstädten in Westafrika unterscheiden mag. Wer vom Flughafen aus in die Stadt fährt, dem fällt als erstes das Tor am Stadteingang ins Auge. Der kleine Park rund herum dient als Empfangsareal für ausländische Staatsgäste. Leider dürfen sich Touristen dort nicht aufhalten. Nicht weit entfernt befindet sich das Nationalstadium. Es war die Austragungsstätte der Afrikaspiele 2003 und wird die Commonwealth-Games im Jahr 2014 beherbergen. Dies wird eine Weltpremiere sein. Erstmals wird dieses große Sportfest der ehemaligen britischen Kolonien in Afrika stattfinden. Es wird nach der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika das größte Sportereignis auf dem schwarzen Kontinent sein. Wer Glück hat, dem erlauben die Wachposten am Eingang des das Stadion umgebenden Parks, einen Blick hinein – in Begleitung natürlich. Der Hinweis, das erste Mal in Abuja zu sein, öffnet hier am ehesten die Tür.

Wir befinden uns in der “Central Area”. Es ist der geschäftliche und politische Mittelpunkt der Stadt. Viele nigerianische und internationale Organisationen haben hier ihren Sitz. Die Botschaften befinden sich dort. Links und rechts der beiden Hauptstraßen, die als Einbahnstraßen diesen zentralen Bereich durchschneiden, sind die beiden großen Gotteshäuser Blickfänge. Relativ in der Mitte der gesamten Stadt steht die große Moschee, die mit ihrem goldenen Dach weithin zu sehen ist. Ihr gegenüber hat die Christliche Kathedrale ihren Platz.

Zoo, Abuja, Nigeria

Auf einer Flucht mit dem Eingangstor ist der Regierungsbezirk. “Three Armed Zone” wird der Platz genannt. Der Grund ist einfach: Es befinden sich dort sowohl das Parlament als auch der Sitz des Präsidenten sowie das höchste Gericht Nigerias. Leider ist es für zivile Fahrzeuge so einfach nicht möglich, dorthin zu gelangen. Immerhin ist das Areal umgeben von ausgedehnten Parkanlagen, die Fußgängern zugänglich sind. Überhaupt finden wir in ganz Abuja viele grüne Zonen. Ein weiterer Fakt, der die Stadt von vielen anderen in Nigeria unterscheidet.

Eine besonders einladende Parkanlage ist der “National Children´s Park & Zoo” am Fuße des “Aso-Rocks”. Also ein Zoo. Er ist zwar nicht zu vergleichen mit denjenigen in Mitteleuropa. Jedoch im Verglich zu dem, was es diesbezüglich in Westafrika und vor allem in Nigeria gibt, ist er beachtenswert. Als meine Familie und ich die Anlage am Vormittag des Folgetages besuchen, sind wir uns schnell sicher: “Diesen Ausflug werden wir nicht bereuen.“ Er Park bietet viele schattige Plätze, ums sich niederzulassen. Unser kleiner Sohn vergisst den Besuch so schnell nicht. Der Tierpfleger ist freundlich und nimmt sich Zeit für ihn: Gerne bereitet er den kleinen Gästen eine besondere Freude: Wer darf denn anderswo als Gast eines Tierparks schon die Giraffe füttern? Zuvor schon machte unser Kleiner einen Ritt auf der alten Schildkröte.

Jugendliche, Abuja, Nigeria

Dazu gibt es eine ausgedehnte Parkanlage mit vielen Spielarealen, die in gutem Zustand sind. Darunter auch ein Fußballfeld. Das haben die Jugendlichen einer moslemischen Organisation schnell in Beschlag genommen. Unser Kleiner darf mitspielen. Nach seinem Glauben fragt ihn keiner der freundlichen Jungen.

Vom Ufer des ins Areal integrierten Sees gibt es einen schönen Blick auf den großen Felsen. Und wer nach dem Besuch dort eintauchen will ins traditionelle Afrika – oder dem es einfach nur nach einem Schnäppchen ist – dem sei eine Stippvisite im “Wuse-Market” am Sani Abacha Way geraten. Dort ist das typische afrikanische Markttreiben zu beobachten. Allerdings ist das scheinbare Chaos ein wenig geregelter als anderswo in Nigeria: Es gibt einen bewachten Parkplatz, für den eine Parkgebühr gezahlt werden muss.

Sicher: Abuja ist so etwas wie ein Kunstprodukt. Es ist keine Stadt, die sich natürlich entwickelt hat. Ein Ort, in den die Bewohner sozusagen hineingesetzt worden sind, ohne für die Verhältnisse dort selbst verantwortlich zu sein. Dies die eine Seite der Medaille. Die andere: In Abuja gibt es die Infrastruktur, wie sie in europäischen Städten vorhanden ist. Auch wenn nicht alles vom einstigen Masterplan wohl umgesetzt wird. Zum Beispiel ist weit und breit nichts von einer U-Bahn zu sehen. Aber: Die Stromausfälle halten sich im Vergleich zu anderen Teilen des Landes in Grenzen. Es gibt grüne Areale fernab vom Straßenlärm. Sogar ein öffentliches Transportsystem scheint entwickelt. Die Stadtväter haben mittlerweile die Motorradtaxis – die so genannten Okadas – verboten und durch große Busse ersetzt.

Abuja könnte also das Symbol für das sein, was sich in Afrika entwickeln könnte, wenn die Menschen sinnvolle Grundvoraussetzungen vorfinden. Und es ist nicht zu befürchten, dass die Afrikaner in einer solchen Stadt ihre Liebenswürdigkeit verlieren. Denn was das betrifft, unterscheiden sich Abuja, Lagos und Benin in kleinster Weise. Hier haben viele europäische Städte noch deutlich Nachholbedarf.

Unser Ausflug in den Zoo ist zu Ende. Er hat uns hungrig gemacht. Nur gut, dass wir vor zwei Tagen dieses kleine Restaurant entdeckt haben. Ein Tipp unseres Fahrers hat da geholfen. Wobei der Begriff Restaurant nach europäischen Maßstäben nicht passt. Eine kleine Küche und ein Bretterverschlag, in dem Tische und Stühle stehen. Wie eben solche Küchen in ganz Nigeria aussehen. Die gibt es auch in der Hauptstadt. Aber das Essen schmeckt Klasse. Die Egusi-Soup dort ist einfach nur zu empfehlen. Und das freundliche Lachen der Chefin gibt es obendrauf noch kostenlos dazu!

Literatur

Eckart Diezemann, Nigeria; Pforzheim, 1990
Francine Rodd, Jewell Kidd, Willie Cohen, Taniko Noda, Around and About Abuja; Ibadan 2005
Eberhard Stahn, Nigeria. Reiseführer mit Landeskunde; Frankfurt, 1995
Lizzie Williams, Nigeria, Chalfont St. Peter 2005

Spezialtipp

National Children’s Park and Zoo: Er ist gelegen am Fuß des Aso-Rock. Öffnungszeiten Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag bis 18.30 Uhr. Eintritt: Erwachsene 200 Naira, Kinder 50 Naira. Also etwa einen Euro beziehungsweise 25 Cent.

Kulinarisches

Mittlerweile gibt es in Abuja viele Filialen von Mister Biggs. Dort sind verschiedene Reisgerichte mit Huhn zu erstehen, die durchaus zu empfehlen sind. Auch die Pommes Frites schmecken. Überall in Abuja gibt es aber auch kleiner Küchen, die oft nur aus zusammengezimmerten Brettern bestehen. Ein ja für ganz Nigeria typisches Bild. Dort gibt es aber für den kleinen Geldbeutel sehr gut schmeckende afrikanische Gerichte verschiedenster Art.

 

Die Distrikte von Ajuba

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